Das Buch ‚Heiter bis köstlich‘ vom Edition Paashaas Verlag http://www.verlag-epv.de ist auf dem Markt. Darin befinden sich 30 Kurzgeschichten rund ums Essen und ums Trinken von verschiedenen Autoren.  Auf die Ausschreibung sendete ich auch zwei Geschichten ein und beide wurden abgedruckt.  Hier kommt meine Geschichte

Meine dicke Freundin

Meine Freundin kenne ich schon ein paar Jahre.  Die meiste Zeit ihres Lebens liegt die nur auf ihren riesigen Sofa. Die macht ja wirklich kaum was, aber wenn die mal was macht, dann geht es schief.  Es ist schon eine Zeit lang her, da ist sie zum Doktor gegangen, weil sie zu dick ist.

Die hat eine Essstörung. Wenn die was Gutes zu Essen da hat, dann isst die es auf. Ich habe ihr schon gesagt, sie soll nur einkaufen gehen, wenn sie tatsächlich Hunger hat. Da hat sie gesagt, man soll nicht einkaufen gehen, wenn man Hunger hat, weil man dann zu viel kauft. Das hat sie mal irgendwo gelesen gehabt.
Ein Magenband hat sie vom Doktor gewollt. Weil sie abnehmen will, hat sie ihm gesagt. Aber ihre Essstörung hat sie schön verschwiegen. An ihrer Stelle hätte ich mich lieber einer Diätgruppe angeschlossen, anstatt mir so einen Fremdkörper einsetzen zu lassen. Meine Freundin hat aber lieber die bequemere Variante gewählt. Mit einem Magenband braucht man sich schließlich nicht beim Essen einzuschränken.
Nach dieser Operation ist sie noch öfters ins Krankenhaus gegangen. Jedes Mal hat ihr ein Arzt das Magenband enger gestellt. Dazu wird nicht operiert. Irgendwann hat es sich nicht mehr enger stellen lassen. Nur abgenommen hat sie nicht.
„Das Ding hat eine Störung“, hat sie sich bei mir beklagt.
Da habe ich aber mal nachgefragt: „Was soll denn das für ne Störung sein? Jedes Magenband verkleinert den Magen. Man ist mit einer kleinerer Portion satt und nimmt ab.“
„Normalerweise soll es so gehen und man kann damit gar nicht mehr so viel essen, wie ich noch esse. Vielleicht dehnt sich dieses Ding zu schnell aus“, hat sie geantwortet.
Das hat ja so gut gepasst. Was auch immer die anpackt – es funktioniert nicht.
„Wenn es nicht funktioniert, kannst du es dir ja kostenlos austauschen lassen“, hab ich vorgeschlagen.
„Ich habe es schon von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Was sollen die denn denken, wenn ich jetzt noch ein anderes möchte?“
Das hätte sie mir nicht verraten, wenn das Ding funktionieren würde. Ich wunderte mich: „Was! Du hast das bei deinem Übergewicht von der Krankenkasse bezahlt bekommen? Ich denke, das bekommt nur nur erstattet, wenn man ganz extrem dick ist.“
„Ich habe doch kein Geld für so ein teures Ding.“
Wenn es billig wäre, hätte es ja jeder und würde doppelt so viel essen.
„Was meinst du? Wenn man kein Geld dafür hat, zahlt das die Krankenkasse auch?“
„Normalerweise nicht. Aber ich hab den Doktor ordentlich beschwatzt.“
Frauen haben voll nichts anderes im Kopf als schlank werden und schlank bleiben. Da haben die plötzlich Ideen, wie sie ihr Ziel erreichen können und können sie auch umsetzen. Auch wenn ihnen sonst nichts gelingt, so wie meiner Freundin. Ihren Chef zu beschwatzen, ist ihr nie gelungen. Ich darf nicht verraten, seit wie vielen Jahren sie keine Gehaltserhöhung bekommen hat.

So traurig hat es ein paar Wochen später aber nicht mehr ausgesehen. Sie ist sichtbar einige Kilo leichter gewesen.
„Siehst du“, habe ich sie aufgebaut, „am Magenband liegt es doch nicht. Es hat nur ein bisschen Zeit gebraucht.“
Wieder hat sie auf das Ding geschimpft und erzählt, sie habe sich einer Diätgruppe angeschlossen.
Ich habe nur gesagt: „Siehst du, wenn das eine nicht funktioniert, funktioniert das andere.“
Ich hätte ihr doch nicht sagen können, dass das auch wieder schief gehen wird, weil ich bei ihr noch nie etwas anders erlebt habe.
Über die Diätgruppe hat sie ganz begeistert erzählt: „Das geht ganz einfach. Man kann so viel Salat essen, wie man möchte. Nur bei der Tunke muss man aufpassen. Man darf auch so viel Knäckebrot essen, wie man möchte. Nur muss man aufpassen, was man drauf legt.“
Braucht man dazu wirklich eine Diätgruppe? Genau so haben sich schon immer alle Frauen ernährt, wenn sie ein paar Pfunde loswerden wollten.
Meine Freundin hat weiter erzählt: „Wie wir den Salat anmachen sollen und was wir auf das Knäckebrot legen sollen, lernen wir. Wir essen auch noch anderes. Ich schwöre dir, davon wird man satt.“
Sie hat dann sehr schnell noch mehr abgenommen. Bis zu dem Tag, an dem sie von ihrem großen Sofa aufgestanden und in die Küche gegangen ist. Mit einer Dose Sahne zum Sprayen in der einen Hand und einen Esslöffel in der anderen ist sie wieder zurück ins Wohnzimmer gekommen. Sie hat sich damit auf ihren Lieblingsplatz, dieses riesige Sofa, gehauen und erklärt: „Das Konzept von der Diätgruppe ist, so wenig wie möglich Fett zu essen, damit der Körper das eigene Fett verbrennt. Aber dem Körper fehlt doch was, wenn man kein Fett isst. Ich halt es nicht mehr aus.“
Ich habe sie getröstet: „Du hast auch schon genug abgenommen.“
Mmhh namm namm namm namm hat sie gemacht und mit geschlossenen Augen die Sahne gelöffelt.
Jetzt ist es aus mit der Diät und die nimmt jetzt wieder zu. Das habe ich dann einfach gewusst. Einfach, weil bei ihr alles nicht klappt.
Sie hat wieder Sahne auf den Löffel gesprayt und wieder und wieder und immer wieder und hat beim Essen der Sahne immer mmhh namm namm namm namm gemacht.
Solche dumme Sachen macht die immer. Ich jedenfalls hätte mir einen Teller genommen.
„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so etwas Gutes gegessen“, hat sie dann gesagt.
Von dieser Behauptung über Sahne aus der Spraydose bin ich eine Zeit lang benommen gewesen.
Am Tag darauf hat sie sich von ihrer Diätgruppe verabschiedet und wieder leckere Sachen gegessen. Sie hat dann tatsächlich genauso schnell wieder zugenommen, wie sie abgenommen hat.
Es ist unglaublich, aber das Magenband liegt immer noch um ihren Magen und sie sieht jetzt wieder so wie früher aus, als ob es nie da gewesen wäre.