Mittlerweile ist das eingetreten, was ich seit Jahren kommen sah und befürchtete. Die zwei Weiber gehen jetzt viel gemeiner gegen mich vor. Sie haben nämlich begriffen, dass ich tatsächlich in die Großstadt ziehen und Kosmetikerin lernen möchte.

Es ist unmöglich, die beiden zu imitieren. Die Zwei wirken, als wären sie Insassen einer Irrenanstalt. Was sie von sich geben, ist skurril, absurd, verrückt, einfältig, grotesk, unlogisch und völlig ohne Verstand. Die Beschreibung ‚ganz komisch‘ trifft es für mich am besten. Bevor sie es begriffen, war es nicht anders, doch jetzt erblüht alles zu einem unvorstellbaren Ausmaß. Kaum hat die eine etwas gesagt, bastelt die andere daraus eine Bemerkung, die die vorherige noch übertrifft. Die zwei Weiber spielen sich die Sprüche wie Ping-Pong-Bälle zu. Es geht hin und her und her und hin.

Obwohl sie den Beruf Kosmetikerin kein bisschen verstehen, fallen ihnen jetzt stundenlang unheimlich haarsträubende Dinge darüber ein.

Über mein Umzugsvorhaben ziehen sie genauso her. Weil alles mit mir zusammen hängt, machen sie mich so schlecht, wie es eigentlich kein Mensch sein kann. Was ihnen alles über meinen Charakter und meine Sexualität einfällt, ist an Dummheit und Verrücktheit nicht zu übertreffen. Darüber redeten sie schon immer schrecklich dummes Zeug. Doch jetzt schwappt alles über. So wie ein Springbrunnen das Wasser immer wieder hochpumpt, greifen sie ihre Sprüche auf und pumpen sie in anderen Formationen hoch. Die Dummheit sprudelt überschäumend aus ihnen heraus. Sprudelt und produziert dabei immer mehr Dummheit und läuft über den Rand des Springbrunnens oder des fassbaren Menschenverstandes.

Wenn ich das nicht mehr ertragen möchte, muss ich all meine Pläne aufgeben. Das ist ihr Ziel. Wenn ich aber aufgebe, hört dieses ganz Schlimme auf und alles wird wieder so wie früher, nicht so furchtbar schlimm wie jetzt, aber immer noch furchtbar schlimm.

Jedes Mal bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Ich muss weinen und kann die Tränen nicht mehr zurück halten. Schnell, während sie mir aufsteigen, renne ich in mein Zimmer. Wenn ich vor ihnen weinen würde, würden sich die zwei Weiber auf dem richtigen Weg fühlen und erst recht loslegen und zudem noch finden, es geschähe mir recht.

Als das Theater noch nicht so arg war, war es auch so. Jetzt trifft es mich aber viel empfindlicher. In meinem Zimmer weine ich mindestens eine Stunde hemmungslos. Diese Beleidigungen schmerzen mich so sehr. Nie werde ich es verzeihen und verarbeiten können. Ich kann sowieso nicht mehr, es macht mich so fertig.

Bisher hielt ich es nur hier aus, weil ich meine Freiheit kommen sah. Ich darf mich jetzt nicht unterkriegen lassen und muss mich frei kämpfen. Nur eine Mietwohnung brauche ich unter Vertrag. So wie die zwei Weiber ungeahnte Dummheit aufsprudeln lassen, muss ich ungeahnte Kräfte mobilisieren. Einfach nur, um das zu tun, das ich schon mein ganzes Leben lang tun wollte. Von ihnen frei kommen.

 

(Erschienen in der Anthologie zum Thema Mobbing, Ausschreibung Goldenes Kleeblatt 2014)

Anmerkung: Die zwei Weiber sind Figuren  meines Romans ‚Über den Tellerrand‘